Der erste Anstieg ist mörderisch und der Dschungel dampft uns zusätzlich ein. Nachdem wir den ersten Gipfel erreichen, beginnt die Erde wieder zu beben. Ich starre fasziniert auf die Vegetation. Kein Lüftchen rührt sich, aber die Pflanzen bewegen sich wie in einem Sturm. Die Erde unter meinen Füßen fühlt sich butterweich an. Ich habe das Gefühl auf einem Skateboard zu stehen. Ute ist noch weiter unten an einem steilen Abhang und muss sich an einem Baum festhalten um nicht den Berg hinunter zu purzeln. Erdbeben haben einen Klang! Ich dachte immer, das gibt es nur in Action-Filmen. Ein ganz tiefes Grollen begleitet das Erdbeben. Viel tiefer als ein Donnergrollen und nicht lokalisierbar. Beängstigend!
Wir nutzen ein paar Kokospalmen für eine Pause. Die Jungs klettern hinauf und pflücken uns Kulau, das sind frische Kokosnüsse. Wir trinken den prickelnden Saft und fühlen uns gleich besser. Dann geht es weiter. Bergauf. Bergab. Durch Flüsse hindurch. Dutzende Flüsse. Später am Vormittag beginnen die Regenfälle, aber da sind wir schon längst nass bis auf die Knochen.
Es dampft und tropft aus allen Winkeln. Dazu gesellt sich ein Faulgeruch, den wir nicht mehr aus der Nase bekommen. Dieser Dschungel ist der reinste Gärbehälter. "So müssen sich die Bakterien im Pansen einer Kuh fühlen", schießt es mir durch den Kopf. Dann muss ich laut lachen. Die Bakterien vermehren sich nämlich auch noch ungehemmt im Pansen einer Kuh, und nach ungehemmter Vermehrung steht mir momentan wirklich nicht der Sinn. Offensichtlich bin ich keine Bakterie.
Nach einigen Stunden erreichen wir ein Dorf. Es herrscht eine merkwürdige Stimmung. Normalerweise wird man fröhlich begrüßt, aber hier werden wir nur angestarrt. Godfrey und Hoffney wollen keine Pause machen und schnell weiter marschieren. Am Ende des Dorfes lassen sie sich zu einer kleinen Rast überreden, sehen dabei aber nicht glücklich aus. In dieser Abgeschiedenheit gibt es viel Neid und Misstrauen. Wer sind diese Fremden? Was wollen die hier? Wieso queren die unser Land? Wieso verdient Stevens Familie Geld mit denen und wir nicht?
Später an einem Fluss stoppt uns ein alter Mann. Er ist einer der Dorfältesten von Libua und verwickelt Godfrey in eine lange Diskussion. Offensichtlich weiß er nichts von unserer Anwesenheit und unseren Absichten. Das ist nicht gut. Wir einigen uns darauf, die Situation am Abend in Libua zu klären und dürfen schließlich weiter ziehen.
Kurz vor Dunkelheit erreichen wir Libua, wo Mathew uns bereits erwartet. Der alte Mann vom Fluss ist auch schon da. Wie der uns überholt hat, ist mir ein Rätsel.
Wir werden fürstlich mit Bananen, Taro, Bataten, Gemüse mit Kokosmilchsoße, Reis und Fisch bewirtet. Dann beziehen wir eine winzige Kammer in einer Hütte. Beim Auspacken reißt eine Aufhängung meiner Kamera ab. Sie ist einfach wegkorrodiert. Ich kann's ihr nicht übel nehmen. Fühle mich auch korrodiert. Außerdem fokussiert die Kamera nicht mehr richtig. Auch die GPS mag nicht mehr die Position bestimmen. Es ist den Beiden einfach zu nass geworden.
Wir versorgen unsere aufgeriebenen Füße mit Zinksalbe und vielen Metern Leukoplast.
Dann gehen wir zum "stretim toktok", zum klärenden Gespräch. Wir erklären, wer wir sind, was wir in Bougainville so treiben. Nach einer Weile haben der Älteste und die anwesenden Männer keine Einwände mehr gegen unseren Aufenthalt und genehmigen unseren Weitermarsch.
Wir gehen sehr früh ins Bett und ich frage mich, wie viele Tage wir wohl noch brauchen werden bis wir entweder in Wakunai angekommen sind oder uns vollständig aufgelöst haben.
Zum ersten Teil der Numa Numa Saga
Zum vierten Teil der Numa Numa Saga
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