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Sunday, 20 April 2014

Numa Numa Trail - Graun i bruk



Ute und ich sind auf einer Bootstour in rauhe See geraten. Das Boot schwankt hin und her. Ute schreit vor Angst. Plötzlich ist die See wieder spiegelglatt, und dann auf einmal kommen die Wellen wieder.  Es ist wie in einem Alptraum. Da rüttelt mich etwas. Es ist Ute, die mich weckt. Ich werde langsam wach, aber der Traum geht irgendwie weiter. Wir schwanken heftig hin und her, wie auf hoher See. Wir befinden uns aber nicht auf einem Boot, sondern in einer Hütte in Libua an den Ausläufern des Mount Bagana. Draussen laufen Menschen aufgeregt durch die Nacht. 
Die Erde bebt immer heftiger. Dann herrscht plötzlich gespenstische Ruhe. Wenige Minuten später, es ist gegen Mitternacht, schlägt das Erdbeben wieder mit tiefem Grollen zu. Wir beschliessen in der Hütte zu bleiben. Die Hütte ist elastisch gebaut und kann nicht einstürzen. Draussen aber können Äste und ganze Bäume auf uns fallen. An Schlaf ist nicht mehr zu denken, denn die Beben setzen sich bis in die frühen Morgenstunden fort. 
Als die Sonne aufgeht, sehen wir das Ausmaß des Schreckens. An einigen Hütten sind Teile der Dächer abgefallen. Mitten im Dorf ist ein Hang abgerutscht. 


Betelnusspalmen sind umgekippt und unsere Hütte steht plötzlich an einem Abhang, wo vorher keiner war. Unter der Hütte ist der Untergrund eingerissen. Noch ein heftiger Schubser und wir wären samt Hütte den Hang hinabgerodelt. Graun i bruk - der Boden ist kaputt. Immerhin hat es keine Verletzten in Libua gegeben und alle sind froh, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist.
Gegen halb acht am Morgen taucht endlich Paul auf. Paul ist unser Führer für die nächste Etappe auf dem Numa Numa Trail. Zusammen mit Mathew, unserem Gastgeber, soll er uns bis zur Straße nach Wakunai begleiten. 
Paul gehört zu den Me'ekamui, die eine eigene Regierung in Bougainville stellen und beanspruchen, die Bevölkerung von Bougainville zu vertreten. Eigentlich brauchen wir keinen zweiten Führer, aber mit den Me'ekamui ist nicht immer gut Kirschen essen und indem wir Paul engagieren, erhoffen wir uns die Zustimmung der Me'ekamui für unsere weitere Wanderung.
Als Paul das Dorf erreicht, würdigt er uns keines Blickes, sondern knöpft sich stattdessen gleich Matthew vor und schimpft ihn aus. Die anderen Männer schweigen betreten. Paul schimpft in der lokalen Sprache und nicht auf Pidgin, weshalb wir ihn nicht verstehen. Da es aber offensichtlich um uns geht, grüße ich ihn erst mal freundlich und frage, was das Problem ist. “Ihr zwei seid in großen Schwierigkeiten! Verschwindet hier!” schnautzt er mich an. “Was haben wir denn angestellt?” “Ihr habt ohne Erlaubnis der Regierung von Me'ekamui unser Land betreten!” Ute hat eine schriftliche Erlaubnis der Regierung von Me'ekamui, aber dummerweise nicht dabei. Sie ist schließlich öfter im Busch unterwegs um Workshops durchzuführen. Paul kommt richtig in Fahrt, als wir ihm erklären, dass wir keine Touristen sind, sondern für die Autonome Region Bougainville arbeiten. Mit der Machete fuchtelnd und seine rot unterlaufenen Augen rollend schreit er: ”Was ist die Autonome Region Bougainville? Hier gibt es nur das Königreich Me'ekamui! Ihr verdammten Deutschen habt uns erst kolonialisiert und dann im Stich gelassen!” Ute versucht zu erklären, dass sie für das Traditional Health Project und damit für alle Bougainviller arbeitet. Da stampft Paul mit dem Fuss auf und brüllt: ”Ihr habt kein Recht, unsere Pflanzen zu benutzen! Die gehören alle den Me'ekamui! Verpisst Euch!” So geht das weiter und weiter. Paul verbietet uns den Weitermarsch und die versammelten Männer schweigen. Wir haben verloren. Unser Marsch endet in Libua. Ich sage Paul, dass es in Ordnung sei. Wenn wir nicht gewollt sind, dann gehen wir eben. Da springt er auf, stampft auf den Boden und brüllt: “Ich bin der rote Teufel! Ich besiege jeden! Steh’ auf und stell Dich, wenn Du ein Mann bist!” Dieses Rumpelstilzchen will mit mir kämpfen? Der rote Teufel aus dem Busch gegen den Jecken aus Köln? Auf dieses Spiel darf ich mich nicht einlassen und auf die anderen Männer kann ich nicht zählen, die sind eingeschüchtert. Also vermeide ich Blickkontakt, schaue auf den Boden und entschuldige mich, für was auch immer. Das tut richtig weh!
Unter Schimpftiraden packen wir unsere sieben Sachen. “Ihr seid schuld an dem Erdbeben! Ihr habt den Berg erzürnt! Dafür müsst Ihr uns entschädigen. Ihr werdet zahlen!” 
Wir machen uns auf den langen Weg zurück. Godfrey und Hoffney folgen uns nach einer Weile, und später stößt auch noch Matthew zu uns. Es tut ihm alles fürchterlich leid. 
Es regnet in Strömen, unsere Füße sind aufgeweicht und viele Hänge sind durch das Erdbeben abgerutscht. Zusammen mit der Enttäuschung macht das den Rückweg zur Qual. Gegen 16 Uhr erreichen wir völlig aufgeweicht Vuakovi.

Alle sind entsetzt über Pauls Verhalten. Am Abend kehrt Steven von einer Versammlung zurück und versichert uns, dass er persönlich von Paul die Genehmigung für unseren Marsch erhalten hat, aber das hilft uns auch nicht weiter. Wir erfahren, dass das nächtliche Erdbeben die Stärke 7 auf der Richter-Skala erreicht hat und dass ein Tsunami über das kleine Dorf am Strand von Torokina gerollt ist. Die Einwohner konnten aber rechtzeitig nach Piva fliehen, so dass keiner verletzt wurde.
Zu unserer großen Freude ist Alfons inzwischen in Vuakovi eingetroffen und verspricht, uns am kommenden Morgen mit seinem Boot nach Buka mitzunehmen.

Zum ersten Teil der Numa Numa Saga







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